Und wie wir das mit den Kindern machen
Ich halte nicht sehr viel von dem Begriff „vegan“. Der Begriff ruft direkt Assoziationen hervor und meist sind diese nicht unbedingt positiv konnotiert: „Die militanten Veganer“, „darfst du das überhaupt essen?“, „der muss das doch eh jedem erzählen“, „ist das überhaupt gesund?“ mit diesen Fragen und der Thematik, wie wir das mit den Kindern machen, werden wir oft konfrontiert. Dazu schreibe ich heute ein paar Gedanken auf. Was sind eigentlich unsere Gründe, uns vegan zu ernähren? Ernähren sich die Kinder auch vegan und warum machen wir das so, wie wir das machen? All das versuche ich im folgenden ein bisschen zu strukturieren. Dabei ist es mir wichtig, dass der Text nur eine persönliche Meinung widerspiegelt. Ich erhebe nicht den Anspruch darauf, dass die Haltung in irgendeiner Weise universell richtig ist oder ich möchte, dass andere Menschen diese Haltung annehmen. Für uns ist das die richtige Einstellung. Gerade der Standpunkt und die Haltung die wir als Eltern unseren Kindern gegenüber an den Tag legen hat sich in den letzten Jahren entwickelt und funktioniert für uns sehr gut.
Und auch hier nochmal: Ich halte nicht viel von dem Begriff „vegan“. Neben den oben beschriebenen Assoziationen habe ich gemerkt, dass der Begriff gleich bestimmte Einschränkungen und Barrieren im Kopf auslöst. Wir haben uns zum Beispiel mittlerweile bewusst dafür entschieden, dass wir sowohl Honig konsumieren, als auch Kleidung aus Wolle kaufen. Auf die Gründe dafür komme ich im späteren Text nochmal zurück.
Viel passender ist für mich der Begriff bewusste, pflanzenbasierte Ernährung. Diesen verwende ich in Diskussionen auch lieber, weil er unser Selbstverständnis besser widerspiegelt.
Unser Weg zum Selbstverständnis
Wir haben uns vor gut drei Jahren für diese Ernährungsweise entschieden. Der Weg dorthin war eine langsame, schleichende Umstellung. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend sehr gerne Fleisch gegessen. Mit der Zeit und je älter ich wurde rückte aber bei mir auch das Thema Tierwohl immer stärker in den Fokus. Für Nora war das Thema schon früher präsent, weil in ihrer Familie schon immer fast ausschließlich vegetarisch gegessen wurde. Mit dem Auszug beschlossen wir zwar noch Fleisch zu essen aber wenigstens drauf zu achten, dass die Qualität des Fleisches gut ist und die Tiere artgerecht gehalten wurden. Wie das so ist, mit grade 20 Jahren, einem Kind, und mitten im Studium, spielte Geld natürlich auch eine gewisse Rolle und so kauften wir uns ungefähr einmal im Monat gutes Hähnchenfleisch für unser Essen und an Weihnachten Lachs.
Irgendwann saßen wir zusammen, schauten mal wieder eine Doku über die Tierhaltung, und beschlossen in Zukunft das bisschen Fleisch das wir eh nur noch aßen auch wegzulassen. Der Weg zum Veganismus war ähnlich schleichend. Immer öfter ließen wir Milchprodukte weg, dann kamen gesundheitliche Probleme dazu, die dazu führten die Milchprodukte komplett wegzulassen und irgendwann beschlossen wir das letzte bisschen auch nicht mehr zu kaufen. In Endeffekt war die Entscheidung für den Veganismus dann eine ethische, die dazu geführt hat auch nicht mehr ab und zu vegetarische Produkte zu essen. Auf die Gründe muss ich hier glaube ich nicht mehr so dezidiert eingehen, aber als ich mich ein wenig mit dem Thema beschäftigt hatte, wurde mir schnell klar, dass es, so wie das Fleisch produziert wird, für mich nicht mehr gerechtfertigt ist, Fleisch zu essen. Was mir dann nach und nach bewusst wurde, ich weiß es klingt naiv, ist, dass die Nutztierhaltung zur Milch- und Eierproduktion auch nicht besser ist als die zur Fleischgewinnung. Ein Argument, das ich immer wieder höre ist, dass es ja auch Ansätze gibt die Tierhaltung artgerecht zu gestalten und man dieses Fleisch, diese Milch, diesen Käse ja auch kaufen könne. Dem stimme ich , zumindest in weiten Teilen zu, aber wir haben für uns beschlossen, dass wir diese Produkte trotzdem nicht verzehren möchten. Und hier komme ich auch zu dem Grund warum:
Wir leben in einer Zeit und einer Gesellschaft des Überflusses. Es gibt so unglaublich viele Möglichkeiten sich zu ernähren und vor allem so unglaublich viele leckere pflanzliche Lebensmittel, dass es bei uns in Deutschland einfach nicht mehr notwendig ist tierische Lebensmittel zu konsumieren, um sich ausgewogen zu ernähren. Durch den Umstieg auf die vegane Ernährung hat sich für mich persönlich der Horizont und der Zugang zum Essen ziemlich erweitert. Wenn man sich ausgewogen vegan ernähren möchte, ist es notwendig sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dabei war es bei mir so, dass ich unglaublich viele neue und leckere Lebensmittel kennen und lieben gelernt habe.
Allerdings haben wir, wie oben erwähnt, bewusst die Entscheidung getroffen weiterhin Honig zu essen und Wollkleidung zu kaufen.Den Honig bekommen wir immer von einem befreundeten Imker, der die Bienen regional und zum Erhalt der vielen öklogisch wertvollen Flächen hält. Außerdem fällt die Bienenhaltung für uns nicht unter die klassische Nutztierhaltung, wenn man dies gleichsetzt, verniedlicht man die Qualen und Grausamkeiten der Nutztierindustrie.
Wolle ist für uns ein unglaublich wertvoller und nachhaltiger Rohstoff. Es gibt keine alternative, die die gleichen Eigenschaften besitzt wie Wolle. Klar kann man z.B. lange Unterwäsche aus Polyester kaufen, zum einen haben diese Kleidungsstücke dann aber die Problematik, dass durch das Waschen Mikroplastik in das Abwasser gelangt und diese stinken auch unglaublich schnell und man muss diese extrem oft waschen. Wolle ist ein Naturprodukt, das Wärmt und kühlt, geruchshemmend (dadurch muss man es nicht so oft waschen) und unglaublich angenehm zu tragen ist. Wichtig ist uns, dass wir klar zertifizierte Wollkleidung kaufen und darauf achten, dass die Tiere so artgerecht wie möglich gehalten werden.
Die Rolle der Kinder
Kommen wir nun zum zweiten großen Teil des Textes: Wie halten wir es mit den Kindern?
Für uns war von Anfang an klar, dass wir die Kinder zu nichts zwingen wollen. Den Ansatz zu sagen wir ernähren unsere Kinder von Anfang an komplett vegan halten wir für Quatsch. Klar kann man das machen, aber dann muss man auch damit rechnen, dass das Kind nicht unbedingt positiv darauf reagiert. Vor allem wenn man unterwegs ist, auf Kindergeburtstagen oder sonst irgendwo eingeladen ist, setzt man sein Kind damit bewusst einer gewissen Angriffsfläche aus. Wenn dann alle Kinder zum Beispiel Muffins essen, sollen unsere das auch dürfen und sie sollen sich vor allem nicht für Dinge rechtfertigen müssen, hinter denen sie nicht stehen. Veganismus aufgrund einer ethischen oder ökologischen Entscheidung ist ein komplexes Thema und für Kinder im vollen Ausmaß nicht greifbar.
Wichtig ist uns, dass die Kinder sich genauso frei entscheiden können wie wir es getan haben. Das Thema Tierwohl ist bei uns immer wieder Thema. Das kam schon sehr früh auf, dem ging aber immer das Eigeninteresse von Mio, einem selbst erklärten Tierfreund, voraus. Als er mit vier Jahren zu verstehen begann, woraus das Fleisch und die Wurst gemacht ist, die er isst, beschloss er sich von nun an vegetarisch zu ernähren. Der Grund: „Als Tierfreund kann ich ja keine Tiere essen. Ich möchte mich um sie kümmern, dass es ihnen gut geht.“ Plausibel, oder? Das zieht er nun seit gut 2,5 Jahren auch konsequent durch und lässt sich von nichts davon abbringen. Natürlich ist uns bewusst, dass er sich uns bei dieser Entscheidung als Vorbild genommen hat. Jedes Kind hat als erstes Vorbild die eigenen Eltern. Somit lässt sich natürlich diskutieren inwieweit diese Entscheidung „frei“ war.
Jedoch ist das „ich möchte nicht“ in unseren Augen deutlich mehr Wert, als „meine Eltern möchten nicht“. Wir finden, viel wichtiger, als die eigentliche Vegane Ernährung, ist es mit den Kindern in die Diskussion zu kommen und es auch als Diskussionspartner ernstzunehmen. Dabei muss man natürlich immer darauf achten, wie alt das Kind ist, was es versteht. Aber es ist meine feste Überzeugung, dass man durchaus mit dem Kind in die Diskussion gehen kann und sollte. Wenn man bewusst mit dem Thema umgeht, sich im klaren über die eigene Ernährungsweise ist, wird das Thema früher oder später auch bei den Kindern virulent werden.
Bei Lasse merken wir in der letzten Zeit, dass ihn das Thema auch immer stärker beschäftigt. Er isst zwar hin und wieder unterwegs bei Freunden noch eine Wurst oder Fleisch, aber fragt auch immer öfter, aus was das Fleisch eigentlich besteht. Wenn er sich dessen bewusst ist, dann möchte er auch kein Fleisch essen und wünscht sich andere Alternativen.
Das Fazit
Alles in allem kann man sagen, dass das Thema in unserer Familie eine große Rolle spielt und wir auch versuchen unsere Kinder dafür zu sensibilisieren. Unser Weg führt dabei aber nicht über große,lange, intellektuelle Diskussionen und Verbote sondern vielmehr über eine positive Verstärkung. Wir kochen sehr viel mit den Kindern, beziehen sie in die Essensplanung mit ein und thematisieren oft, welche Lebensmittel gesund sind und versuchen den Kindern eine große Bandbreite an Zutaten, Gewürzen und Gerichten zu zeigen. Wie Anfangs schon erwähnt fahren wir mit dieser Strategie bisher sehr gut. Die Kinder mögen sehr viel, haben (verhältnismäßig) gesunde Lieblingsessen, helfen super gerne in der Küche, entwickeln ein Gefühl für ihr Essen und machen sich ihre eigenen Gedanken dazu.
Kommentar schreiben
Tobias Spranger (Freitag, 16 Dezember 2022 18:29)
Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Ich bin zeitweise Veganer und denke, dass Veganer die besseren Menschen sind, wenigstens wenn es um die Tiere geht. Es ist für mich keine schöne Vorstellung, eine Tier oder dessen Teile zu essen. Erst recht nicht, wenn ich an Massentierhaltung denke. Da verzichte generell drauf. Das sollte sich wirklich jeder überlegen, ob er das unterstützen möchte. Leider ist es wohl für die meisten recht schwierig, liebgewonnene Gewohnheiten zu ändern. Erst recht, wenn sie bereits lange bestehen.
Man schwimmt sozusagen gegen den Strom wenn man 100 Prozentiger Veganer ist. Es fängt schon damit an, wenn es um einen Restaurantbesuch mit Freunden geht. Was esse ich da? Nicht alle Restaurants bieten vegane Gerichte an. Oft beschränken sich Veganer dann auf einen Salat oder Ähnliches.
Fast alle essen Fleisch und tierische Produkte. Das kann doch dann nicht so falsch sein, oder? In vielen Fällen ist es das aber, wenn man an die gequälten Puten denke, die vor sich hintaumeln, an kleine Küken, die zerhäckselt werden. Ich denke, als Tierfreund kann man wirklich Bedenken haben gegen den Genuss von Fleisch.
Veganer essen ja nicht nur Fleisch. Sie nehmen keinerlei tierische Produkte wie Milch, Butter, Käse oder Eier zu sich. Manche trinken nicht mal Wein, weil dieser durch Gelatine oder Fischbestandteile geklärt worden sein kann.
Mir fällt es allerdings schwer, mich zu 100 Prozent für diese Ernährungsform zu entscheiden, obwohl es viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Es ist leider auch etwas teurer, nur Biogemüse und Bioobst zu kaufen. Aber diese Lebensmittel müssen teurer sein.
Zeitweise bin ich vegan. Das erfordert jedesmal, dass sich umdenke. Ich muss dabei meine Gewohnheiten umstellen. Dadurch bleibe ich flexibel. Es gibt viele leckere vegane Rezepte, die ich gern noch ausprobieren möchte.